Mittwoch, 3. September 2014

Biologisches Gleichgewicht kontra chemische Keule

In einer gar nicht oder nur wenig gestörten vielgliedrigen Lebensgemeinschaft von zahllosen Tieren und Pflanzen herrscht ein stabiles Gleichgewicht. Jedes steht im Dienste des Ganzen, indem es dem anderen dient und wiederum abhängig ist. In einem solchen fein aufeinander abgestimmten Ganzen gibt es von keinem ein Zuviel oder Zuwenig. Schädlingskatastrophen sind daher in diesen Lebensräumen nicht bekannt, denn sobald sich z. B. eine Insektenart zu stark vermehrt, beginnen bald darauf ihre natürlichen Feinde mit einer Massenentwicklung und deren Massenvernichtung. In kurzer Zeit ist das biologische Gleichgewicht wieder hergestellt.
 
Durch die vom Menschen künstlich geschaffenen Monokulturen im Feldbau, Forst und Weinbau werden durch den planmäßigen Anbau bestimmter Pflanzen nicht nur eine Verarmung der Pflanzenarten, sondern auch der Tierarten geschaffen. Nur verhältnismäßig wenige Tierformen siedeln in diesen "Kulturraum" und finden hier günstige Ernährungs- und Lebensbedingungen. Zahlreiche natürliche Feinde siedeln nicht mit in den neuen Lebensraum, weil die Lebensgrundlagen nicht mehr gegeben sind. So ist es zu erklären, dass auf unseren Getreide-, Gemüse- und Kartoffelfeldern, in den Weinbergen oder Obstanlagen, in ausschließlichen Kiefern- und Fichtenwäldern vor allem Insekten sich fast ungehindert massenweise vermehren und schwerste Schäden verursachen. Die Forstwirtschaft hat aus den bitteren Erfahrungen mit Kiefernspanner, Forleule, Nonne usw. die Lehre gezogen und geht immer mehr dazu über, die Forste auf Mischwaldkulturen umzustellen. Wiederholt hat man versucht, natürliche Feinde der zum Schädling gewordenen Tierarten in die bedrohten Gebiete zu verpflanzen, aber leider blieb dies, bis auf wenige Ausnahmen, erfolglos. Bevor sich die Nützlinge vermehren können, ist der wirtschaftliche Schaden bereits eingetreten. Die Massenentwicklung des Nützlings (z. B. Parasiten) hinkt also hinter der des Schädlings nach.
 
Wollen wir mehr ernten, als das, was uns die Pflanzenfeinde übriglassen sind wir also gezwungen mit chemischen Bekämpfungsverfahren gegen die Schädlinge vorzugehen, ohne auf die Nützlinge verzichten zu wollen. Den Nutztieren sollen und müssen wir aber Schutz und Pflege angedeihen lassen. Die meisten der im Pflanzenschutz verwendeten Giftstoffe töten nicht ausschließlich Schädlinge. Vor allem bei unsachgemäßer Anwendung der Giftmittel sterben zahlreiche nützliche Tiere. Besonders die im Frühjahr und Sommer angewendeten Bekämpfungsmittel gefährden die für die Befruchtung unersetzbaren Bienen, die den Blattläusen nachstellenden Marienkäfer, Schwebefliegen, Schlupfwespen usw. Um die lästigen Stechmücken und gefährlichen Fiebermücken zu bekämpfen, wurden auf Gewässer DDT-haltige Präparate gestäubt oder gesprüht mit dem Erfolg, dass ein großes Fischsterben einsetzte. In mehreren Ländern wurde beobachtet, dass nach Verstäuben von DDT in Waldgebieten, das Kleintierleben,  einschließlich der Jungvögel ausgerottet wurde.
Auch wenn die biologische Bekämpfung nicht ausreichend ist, müssen die Pflanzenschutzmaßnahmen mit chemischen Mitteln immer vernünftig und vorschriftsmäßig  durchgeführt werden, damit eine weitere Verarmung unserer Tierwelt vermieden werden kann. Dazu sind gute biologische Kenntnisse, Gefühl der Naturverbundenheit und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der schöpfungsreichen Natur unerlässlich. Vom Praktiker muss man verlangen, dass er bei seinen Bekämpfungsmaßnahmen die entsprechende Vorsicht walten lässt und die von den zuständigen Stellen gegebenen Vorschriften beachtet. Es sollte nicht mehr vorkommen, dass in offenen Blüten gestäubt oder gespritzt wird, dass Obstbäume, die auf einer von Weidetieren begangenen Wiese stehen, mit Arsenmitteln behandelt werden.
Wir haben nur die eine Umwelt.

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